Von der grossen Freiheit in den «leeren Raum»

Portraitaufnahme Andreas Schoop

obvita beschäftigt im Bereich Immobilien 22 Mitarbeitende mit Unterstützungsbedarf. Sie arbeiten in der Reinigung, in der Gartenpflege und im Immobilienunterhalt. Andreas Schoop ist einer von ihnen.

Andreas Schoop wurde vom Schicksal schon mehr als einmal gebremst. Als er im zweiten Jahr seines Jurastudiums heftige Halsschmerzen verspürte, diagnostizierten die Ärzte einen Tumor, dessen Verlauf in vielen Fällen tödlich endet. Die darauffolgende Bestrahlung und Chemotherapie war heftig, konnte jedoch im Mai 1998 abgeschlossen werden. Zur Erholung reiste er ans Meer und schrieb sich anschliessend in ein neues Studium ein an der ETH. 2004 machte er seinen Abschluss als Diplom Ingenieur Forstwissenschaft. Nach einem Praktikum in einem Naturpark in den USA arbeitete er als Verkaufsberater von Gastrokaffeemaschinen, bei einer Gebäudeversicherung als Verantwortlicher Naturgefahren und schliesslich in der Beratung und im Verkauf von Stahlnetzen für Lawinen- und Steinschlagschutz weltweit. Er reiste viel und es fühlte sich an wie die grosse Freiheit.

Ende September 2015 erlitt er einen Schlaganfall, ausgelöst durch die Verengung der Halsgefässe bei der Bestrahlung des Tumors. Nach zwei Wochen Intensivstation kam er in die Rehaklinik in Valens. Dort kämpfte er sich zurück ins Leben und fing anschliessend wieder an zu arbeiten. Es ging ihm gut, er konnte wieder Sport treiben, war schnell wieder in der Arbeit drin. Sein Aufgabengebiet wurde erweitert. Er hielt zahlreiche Vorträge als Produktmanager und liebte seinen Job.

Genau ein Jahr nach dem Schlaganfall folgte der zweite. Dieses Mal war es schlimmer, die linke Seite war gelähmt und er litt an einer Wahrnehmungsstörung, in der Fachsprache Neglect genannt. Damit wird in der Neurologie eine Störung bezeichnet, die durch eine Schädigung im Gehirn hervorgerufen wird. Der Betroffene nimmt dabei die der Hirnläsion gegenüberliegende Seite seiner Umgebung beziehungsweise des eigenen Körpers nicht oder nur noch schlecht wahr. Erneut durchlief er die Reha und schliesslich eine Wiedereingliederung in einer Wohngemeinschaft, um neue Perspektiven aufzubauen. Körperlich erholte er sich gut. Einige Folgeerscheinungen blieben, wie die Wahrnehmungseinschränkung auf seiner linken Seite. Autofahren oder Tastaturschreiben ist derzeit schwierig.

Sein Arbeitsvertrag wurde aufgelöst.

Es fühlte sich für ihn an wie ein «leerer Raum» – kein Job, kein Lebensplan.

Er meldete sich beim Arbeitsangebot «jobfinder» von obvita an und schnupperte in verschiedenen Arbeitsbereichen: im Garten, im Immobilienunterhalt und in der Reinigung. Er wollte einfach arbeiten – egal was ¬ und am liebsten körperlich. Heute ist er im Reinigungsteam von obvita und ist dankbar, dass er eine Aufgabe hat. Von der IV wurde er als 50 Prozent arbeitsfähig eingestuft. Er selbst fühlt sich gesund und möchte möglichst wieder in seinen alten Job zurück. Wie er das schaffen kann, weiss er noch nicht. Seine Krankheit habe an seinem Selbstvertrauen genagt – er wisse zurzeit gar nicht so genau, was er wolle. Am Schlimmsten wäre es aber, gar nichts zu machen. Und darum nimmt er zurzeit jeden Tag so, wie er kommt.